intuitive Kunst

 

 

Die Sprache der Symbole ist die Sprache der Seele.

 

Werk "Bildstock"

Werk Bildstock vorne


Jahr: 2015
Höhe: 130 cm
Material: Thujaholz, teilweise gewachst, Blattgold auf durchwurmtem Buchenholz, Blattsilber oxidiert, Schellacktusche, Pigmentbeiz

Im christlichen Kontext ist ein Bildstock, oder Marterl wie es in Süddeutschland genannt wird, eine Betsäule auf freier Flur mit plastischem oder gemaltem Andachtsbild eines Heiligen, der Madonna oder einem Kruzifix. Er kann aus Holz, Stein oder Mauerwerk gestaltet sein und soll, ähnlich den Wegkreuzen, Vorübergehende zu kurzer innerlicher Einkehr mit Gebeten, Bitten oder Danksagung zum Innehalten einladen. Eine weitere Bezeichnung für dieses religiöse Kleindenkmal ist, je nach Gestaltung, Tabernakel-Bildstock.

Stellen wir uns nun die hier gezeigte künstlerische Gestaltung eines Bildstocks auf weiter Flur vor, an der ein Wanderer ankommt. Er mag alsbald eine andächtige Stille in sich spüren – vielleicht nach einer ersten Berührung der teilweise samtigen Oberfläche. Von vorne wirkt die Gestalt durch einen offenen mantelartigen Umhang einladend, und der fruchtige Wohlgeruch ätherisch öliger Inhaltsstoffe des Thuja Holzes lockt den Menschen zu einer weiteren sinnlichen Annäherung. Sinneseindrücke durch Berührung und Duft bringen ihn in eine Zeit entrückte Stille, in eine Verbindung mit der Natur (des Holzes) und mit sich selbst. Er ist in Kontakt mit einem aufgetanen Baumstamm (gespalten), der hier sein offenes Herz zeigt. Findet der Blick oder die tastende Hand des Wanderers diese Mitte, das „Herz“ des Werkes, wo beim traditionellen Bildstock das Votivbild sich findet, erschrickt er vielleicht für einen Augenblick. Denn in der tiefen, dunklen, ovalen Höhlung ist das devote Gold zwar ebenso da, aber nicht reizend und glorifizierend als Heiligenschein oder goldglänzendes Gewand – es liegt auf zerfurchtem, ausgefranstem, wurmdurchbohrtem, hinfälligem Holz.

Dient hier das Gold nur als einladender Blickfang – wohin? 


Das fordert den Wanderer heraus, macht ihn vielleicht neugierig: worum geht es hier? Die ovale Öffnung ist dunkel, und das zerbrechliche und Spuren der Vergänglichkeit zeigende Goldstück liegt tief, wie entrückt. Der Wanderer sucht und sucht nach einem Sinn und Fragen steigen in ihm auf: was ist diese Nische für ein Ort? was birgt diese dunkle Höhlung? gibt es ein Dahinter? was ist hinter diesem Gold – dem alten Gold der Heiligenscheine und Monstranzen?

 

 

Werk Bildstock innen


Nur der geduldige, ausdauernd suchende, stille Blick, der sich nicht mehr zufrieden gibt mit dem verblendenden Tanz um das goldene Kalb, wird den Zugang zu jener anderen Ebene finden, die den Sinn durchscheinen lässt.

In der ursprünglichen Bedeutung von religio rückverbindet dieser Sinn den Wahrnehmenden wieder mit seinem ihm immer innewohnenden geistigen Wesen. Er kann durch die innige Wahrnehmung des künstlerisch gestalteten Symbols ahnungsweise eine gefühlte Weitung in sich selbst erfahren. Denn in diesem missbrauchten Goldstück erkennt der Schauende ein Stück weit sich selbst. Das beunruhigt oder ängstigt ihn vielleicht. Doch das tägliche Unglücklichsein ob des Gehens in alten Spuren der Gewohnheiten, lässt sich nicht mehr schönreden. Daraus erwächst das Bedürfnis nach Treue zum eigenen Wesen. So drängt eine schiere Notwendigkeit, weiter zu forschen in diesem Neuland jenseits alter Systeme – drängt zu Taten. Möglicherweise wird erst jetzt voll Überraschung wahrgenommen: von hinter dem Gold kommt ein neues Licht aus schmalen Öffnungen wie von weit…

In der ursprünglichen Bedeutung von religio rückverbindet dieser Sinn den Wahrnehmenden wieder mit seinem ihm immer innewohnenden geistigen Wesen. Er kann durch die innige Wahrnehmung des künstlerisch gestalteten Symbols ahnungsweise eine gefühlte Weitung in sich selbst erfahren. Denn in diesem missbrauchten Goldstück erkennt der Schauende ein Stück weit sich selbst. 

 

Werk Bildstock hinten


Das beunruhigt oder ängstigt ihn vielleicht. Doch das tägliche Unglücklichsein ob des Gehens in alten Spuren der Gewohnheiten, lässt sich nicht mehr schönreden. Daraus erwächst das Bedürfnis nach Treue zum eigenen Wesen. So drängt eine schiere Notwendigkeit, weiter zu forschen in diesem Neuland jenseits alter Systeme – drängt zu Taten. Möglicherweise wird erst jetzt voll Überraschung wahrgenommen: von hinter dem Gold kommt ein neues Licht aus schmalen Öffnungen wie von weit…

Bleibt der Verweilende offen für die Erahnung des Neulandes, dann führt ihn sein Wesen hinter das gediegene, ewige, heilige Gold in die Weite. Denn der Glanz kommt nicht vom Gold, sondern er ist auf ihm nur der Widerschein des Lichtes, das hinter dem Golde strahlt. Das ist das Licht der Weitung, mit dem die neue Aufgabenstellung hereinstrahlt und den Suchenden findet.

Diese von beiden Seiten wirkende Anziehungskraft wird beschrieben von religiösen Mystikern, und auch Dichter haben sie erfahren und sprechen in lyrischen Werken davon. Unsere Vorstellung einer linear verlaufenden Realität wird erschüttert, wenn der einzelne Mensch hinter dem goldenen Gold, hinter allem Schein der Dinge, die Weitung seines eigenen Wesens erfährt – das ist eine Art Quadratur des Kreises, die im Inneren des Menschen stattfindet und hier im Kunstwerk Bildstock auf der Hinterseite angedeutet ist. Durch Rückbindung geschieht die Zusammenführung der zwei Seiten einer Medaille: Körper und Geist. Das Bild des Herzstückes in diesem Corpus ist gleichsam ein alchemistisches Gleichnis für Verwandlung in uns selbst.

 

 

Das Gold

Denk es wäre nicht: es hätte müssen

endlich in den Bergen sich gebären 

und sich niederschlagen in den Flüssen 

aus dem Wollen, aus dem Gären 

ihres Willens; aus der Zwang-Idee, 

daß ein Erz ist über allen Erzen…

R. M. Rilke


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